Persönlicher Kommentar zur „Digitalen Agenda“ 2014 – 2017

Unsere Bundeskanzlerin spricht in einem aktuellen Video-Podcast über den digitalen Wandel und auch darüber, dass die Digitalwirtschaft und IT in Deutschland mehr Förderung und Unterstützung braucht.

Ich bin darauf über die Facebook-Seite der Bundesregierung aufmerksam geworden.

Es fällt der Satz „Deutschland muss sich anstrengen“. Und generell hört man immer wieder „Wir sind noch nicht so weit“, „wir“ und „Deutschland“.

Ich fragte mich danach, „äh bitte wer muss sich anstrengen?“ und veröffentlichte den folgenden Kommentar auf der Facebookseite der Bundesregierung (Link zum Post). Ich finde den Facebook-Auftritt übrigens sehr stark und mutig!

Aber lest einfach selbst.

Altes Telefon vor 70er Jahre Tapete

Foto: Photdune

Liebe Bundesregierung,

es ist nicht Deutschland, das sich anstrengen muss, es ist die Regierung. Ja Sie!

Wenn die Bundesregierung ernsthaft die deutsche Digitalwirtschaft vorantreiben möchte, dann sollten Sie zu allererst einmal die Bedingungen für das Gründen und die Startphase verbessern.

Haben Sie eigentlich eine Ahnung wie schwer, teuer und nervenaufreibend es in Deutschland ist, ein Unternehmen zu gründen? Ich habe nämlich eins und ich will es Ihnen kurz erzählen:

Haben Sie nur eine leise Vorstellung davon, wie viele Institutionen tagtäglich die Hand aufhalten und Geld verlangen? Ich rede dabei nicht vom Finanzamt. Stichwort: Zwangsmitgliedschaft in der IHK, KSK Abgaben (auch auf Gehälter), Soli-Beiträge, Arbeitgeber Anteile, Bundesknappschaft usw. Das sind alles Abgaben, die der Gesetzgeber schützt. Das sind alles teils staatlich ausgelagerte Behörden bzw. Einrichtungen, die aufgrund staatlicher Vormundschaft existieren.

Als nächstes hätten wir beispielsweise die Bilanzierungspflicht für Kapitalgesellschaften (prinzipiell gut), aber auch für kleine UG´s. Teilweise sind die Auflagen ruinös. Die UG wurde ja einmal eingeführt, um eine Alternative zur beliebteren Rechtsform der britischen Limited anbieten anbieten zu können. Was ist daran eine Alternative? Nennen Sie mir einen guten Grund?

Dadurch hat man als kleines Unternehmen (Kleinstunternehmen) schon einmal hohe Fixkosten (Steuerberater, Jahresbilanz etc.). Ohne ein Lohnsteuerbüro kommt man auch nicht aus. Alleine schon, weil es in Deutschland ohne Anwälte und Steuerberater überhaupt NICHT möglich ist, sich nur annähernd selbst zu kümmern. Was sich jährlich an Steuergesetzen und Gesetzen und Vorschriften allgemein ändert, das kann ein normaler Mensch alles gar nicht wissen und erfassen!

Die Creditreform entscheidet darüber, wie zahlungsfähig ein Unternehmen ist. Man ist nichts weiter als ein Gebilde aus Zahlen. Da wird auch nicht einmal annähernd auf einen Trend oder eine individuelle Einschätzung eingegangen. Behörden verschicken einfach Ihre Fragebögen und tippen dann auf irgendein Gesetz und sagen: „Hier steht, Sie müssen! Nach Verstreichen der Frist schätzen wir Sie halt! Diskutieren Sie nicht, steht im Gesetz!“.

Es gibt bei vielen Dingen eine Notarpflicht und selbst das Handelsregister will eine Gebühr, wenn sich etwas ändert. Der Bundesanzeiger will eine Gebühr zur Veröffentlichung der Bilanz (gesetzliche Pflicht!). Rundfunkgebühren, Versicherungspflichten (Haftpflicht usw.), keine Vorteile bei Gewerbemietverhandlungen, Buchhaltung und letzten Endes: Alles auf TAUSENDEN Seiten PAPIER.

Wissen Sie, wie belastend das für ein junges kleines Unternehmen ist? Wissen Sie, welch enormer Druck dadurch entsteht? Man kann nämlich nichts dagegen machen.

Wissen Sie, wieviel Zeit man als junger Gründer und Geschäftsführer damit verbringt, bürokratische und behördliche Dinge zu regeln?

Ich würde sehr gerne mehr arbeiten. Also WIRKLICH arbeiten.

Haben Sie eine Vorstellung davon wie es ist, wenn Ihnen einen Bürokrat, der vom Staat bezahlt wird, sagt „wenn Sie mehr Geld hätten, dann könnten Sie ja jemanden anstellen, der den Kram erledigt“?

Wenn Sie wirklich die Digitalwirtschaft „pushen“ möchten, dann nehmen Sie sich mal oben genannte Dinge zu Herzen und verbessern Sie die Unternehmens-Umwelt, die Bedingungen für Gründer und kleine Unternehmen. Das betrifft übrigens auch alle anderen Branchen in Deutschland.

Jetzt werden Sie sagen: „Aber es gibt doch Fördergelder!“

Ja, die gibt es. Aber haben Sie eine Ahnung davon, was man alles wissen und beachten muss, um an diese zu kommen?

Sie reden davon, dass Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Dann tun Sie bitte etwas dafür, dass man nicht mit Angstschweiß an eine Einstellung denken muss. Unterstützen Sie die Unternehmen. Fördergeld sind eine Hilfe, aber keine Unterstützung!

„Das Internet ist für uns alle Neuland“ – Angela Merkel

Mal im Ernst, als unsere Bundeskanzlerin im Juni 2013 sagte „Das Internet ist für uns alle Neuland“ da habe ich mich gefragt, ob die Bundesregierung eigentlich in einer Höhle gelebt hat? Das Internet ist schon seit dem großen Boom zwischen 1995 – 1999 eine Einnahmequelle vieler Unternehmen.

Das die Bundesregierung jetzt einen Facebook Auftritt hat, finde ich mutig und ich bewundere das. Allerdings brauchen Sie scheinbar für alles immer 10 Jahre länger, das hat man ja auch bei der Mietpreisbremse gesehen. Immer dann, wenn die Bundesregierung mit Pauken und Orchester eine sensationelle Reform ankündigt, dann ist der eigentliche notwendige Bedarf im Land daran schon wieder seit 10 Jahren vorbei. Sie müssen schneller werden!

Was ich sagen will:

Vereinfachen Sie die Gründung als solches. Entlasten Sie uns ein wenig. Schaffen Sie Ausnahmeregelungen und Anreize. Machen Sie Förderprogramme leicht und unbürokratisch zugänglich. Ich möchte gerne arbeiten und vorankommen und mich nicht 50% meiner Zeit mit Bürokratie, Formularen und Pflichtabgaben beschäftigen müssen. Entlasten Sie Gründer und junge Unternehmen vor allem auch finanziell. Dieser Druck ist kontraproduktiv!

Werden Sie schneller, erkennen Sie Bedarf im Land und reagieren Sie. Machen Sie sich mit Technologien vertraut, verstehen Sie Gebilde und Strukturen wie z.B. das Internet.

Schmeissen Sie Ihre grauhaarigen Gutachter raus und schicken Sie Leute auf die Straße, die sich auskennen. Vereinfachen und beschleunigen Sie wichtige Gesetzgebungen.

ALL DAS müsste in Ihre Agenda. Die Förderprogramme sind löblich, allerdings wird das nicht die Grundproblematik lösen, dass es in keinem anderen Land der Welt so teuer, so risikoreich, so nervenaufreibend ist, eine Unternehmung zu starten.

Danke für Ihre Zeit!

Edit: Disclaimer

Mein Kommentar soll nicht die Notwendigkeit und Rechtmäßigkeit von Steuern und Abgaben allgemein in Frage stellen. Auch will ich nicht sagen, dass die IHK oder die KSK grundsätzlich schlecht und unnötig sind. Es geht mir lediglich um die Gesamtsituation, in der sich Gründer und kleine Unternehmen befinden.

Ich finde Fördergelder gut, es muss jedoch mehr geändert werden als das, um Gründern und Start-ups eine wirkliche Unterstützung zu bieten und den digitalen Sektor voran zu treiben. Mein Kommentar zeigt nur oberflächlich und allgemein auf, wo überall Reformen notwendig wären, natürlich subjektiv betrachtet.

Ich kritisiere in erster Linie die Bürokratie und teilweise veraltete Gesetze und Regelungen.Ebenso die harten Verpflichtungen, die man als Gründer hat. Man ist fast mehr damit beschäftigt, Auskünfte zu geben, Formulare und Meldungen zu verschicken, als das man wirklich arbeiten kann.

Ich fühle mich zum Teil gefesselt und unfrei in meinem unternehmerischen Handeln.

Weiterführende Links:

http://www.digitale-agenda.de

Link zum Podcast (Videoquelle): http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Mediathek/Einstieg/mediathek_einstieg_podcasts_node.html?cat=podcasts&id=1343582

Facebook-Seite der Bundesregierung: https://www.facebook.com/Bundesregierung