Normalerweise schreibe ich in meinem Blog fast ausschließlich über Digital Marketing, Kommunikation und Suchmaschinenmarketing. Da ich aber auch begeisterter Nutzer von neuen und innovativen Technologien und Diensten bin und auch ich über 2 Wochen den E-Scooter-Hype in Berlin mit gelebt habe, ist mein Blog aber auch eine gute Adresse für Erfahrungsberichte. Ich habe den Artikel deshalb auch als OT (Off Topic) getaggt.
Über die Elektro-Scooter wurde ja medial groß berichtet. Elektromobilität und Klimawende sind ja schon seit geraumer Zeit ein großes Thema. Ich finde alles gut, was keine Schadstoffe ausstößt (ok, dann verschiebt sich das Umwelt-Problem bei der Elektromobilität eben in Richtung Lithium-Minen) und dazu beiträgt, die deutschen Klimaziele zu erreichen.
So weit ,so gut. Elektro-Scooter. Verkehrswende. Aha.
Aber wie verhält sich die Theorie denn nun mit der Praxis? Sind Elektro-Scooter wirklich eine saubere Alternative? Lohnt sich das für den Nutzer auch finanziell und praktisch im alltäglichen Leben? Diesen Fragen möchte ich nachfolgend auf den Grund gehen. Ich habe ja schließlich selbst über 2 Wochen die Anbieter Lime und Tier in der Berliner Innenstadt genutzt.
Spoiler: Ich habe beide Apps gestern von meinem Smartphone verbannt. Keinen Bock mehr!
Inhaltsverzeichnis
Problem: ständig weite Wege
Das war eine Sache, die mir von Anfang an aufgefallen ist. So richtig nah war nie einer der Elektro-Scooter. Und ich wohne und lebe in der Nähe des Hauptbahnhofs – also Mitte – also Zentrum. Man musste immer relativ weit laufen, z.T. auch in Richtungen, die nicht der Zielrichtung entsprachen. Vor allem wenn man einmal etwas außerhalb unterwegs ist, z.B. Grenze Mitte / Wedding. Gut, dachte ich mir, am Anfang wird die Nachfrage hoch sein und die Dinger sind halt ausgelastet. Aber auch nach über 2 Wochen ist das immer noch so. Da bin ich dann rechnerisch zu Fuß oder mit der Bahn schneller. Das tu ich mir nicht länger an!
Problem: Mehrere Apps für verschiedene Anbieter
Die Verfügbarkeit und die weiten Wege bringen einen automatisch dazu, dass man eben auch bei anderen Anbietern schaut. Bei mir waren es dann eben Lime und Tier. Ich hatte mir auch andere Apps angeschaut, aber bei denen ging nur Kreditkarte – ich bevorzuge Paypal.
Mehrere Apps zu haben ist jetzt kein so gravierendes Grundproblem, aber auf die Masse der Anbieter gesehen ist es schon nervig, jedes Mal in allen Apps schauen zu müssen. ich bin aber ziemlich sicher, dass es da bald eine Aggregatorlösung geben wird und muss.
Problem: Verteilung auf das Stadtgebiet – Fokus nur auf touristische Orte
Angeblich wollen die Anbieter ja wirklich einen Beitrag zur Verkehrswende leisten. Eine Datenauswertung vom RBB zeigt aber, dass die Dinger hauptsächlich in der Innenstadt stehen. Und nochmal, ich wohne zwar in Mitte aber die Dinger stehen halt alle gebündelt an touristischen Orten wie dem Alexanderplatz, Brandenburger Tor und Reichstag. Bei Tier sah es zumindest in Mitte / Wedding noch etwas besser aus.
Da frage ich mich doch, was für eine Verkehrswende es sein soll, wenn die Dinger als Touristenspaß und Umsatzmaschine abgestellt werden und kein normaler Berliner die Dinger auf den normalen Laufrouten finden kann? Da unterstelle ich den Anbieter reine Profitorientierung. Bei der derzeitigen Verteilung (siehe Verfügbarkeitsproblem) kann das ja gar keine ernstzunehmende Alternative sein und schon garnicht ein Beitrag zur Verkehrswende.
Problem: Abstellorte – Hinterhöfe, in Gebäuden und irgendwie dort, wo man sie nicht findet
Bei Lime kann man sich ja wenigstens einen Roller reservieren. Aber wenn man dann an dem Ort ankommt, wo das Ding angeblich stehen soll und sich der Scooter dann entweder in einem Gebäude befindet oder auf einem nicht erreichbaren Hinterhof dann ist das ziemlich frustrierend. Mir ist das wirklich schon mehrere Male passiert. Und dann läuft man am besten echt noch einen Kilometer Umweg und dann ist das Teil nicht da und die Euros sind futsch. Und jedes Mal muss man dann wegen 1-2 Euro anrufen oder dem Support schreiben? Nein danke!
Problem: Wer zuerst kommt, malt zuerst
Wie gesagt, bei Lime kann man wenigstens noch vor-reservieren, aber bei Tier muss man einfach nur der Erste sein. Genau gestern, als ich auch endgenervt beide Apps gelöscht habe, ist mir das wieder passiert. Du willst endlich mal so gegen 23 Uhr nach Hause, denkst du so „cool, dann nehm ich einen Roller – da ist ja einer“, gehst sogar noch den Umweg von fast 1 Kilometer um dann in einer Seitenstraße anzukommen und das Ding ist weg. Nein danke!
Problem: Die Kosten – gut für Kurzstrecken, schlecht für mittlere Wege
Bei Lime und Tier zahlt man je 1€ fürs Freischalten plus 0,15 Cent pro Minute. Bei kurzen Strecken lohnt sich das definitiv, sofern man die Dinger auch in Reichweite hat. Kurz gescannt und los. Dafür wirklich perfekt.
Aber bei mittleren Strecken hört es dann schon auf, dass sich das rechnet. Wir haben in Berlin ein relativ gutes Netz von öffentlichen Verkehrsmitteln. Für 2,80€ fährt man mit der U-Bahn der BVG mal eben in ein paar Minuten längere Strecken. 1,70€ kostet eine Kurzstrecke.
Also ich bleibe dabei, die Elektro-Scooter rechnen sich eigentlich nur auf kürzeren Wegen (Geld + Zeit + Spaß + Mobilität).
Problem: Defekte Bremsen, kaputtes Licht oder der YOLO-Gashebel
Versteht mich nicht falsch. Ich weiß, dieses Elektro-Scooter-Business ist jetzt Neuland und es gibt einfach auch viele Idioten, die die Scooter einfach in die Spree schmeissen oder demolieren. Aber wenn ich mir einen Scooter nehme, der ganz offensichtlich kein Wrack ist und dann die Bremse nicht geht oder bei Nacht das Licht – das ist echt nicht mehr lustig. Die Dinger fahren auch immerhin 20km/h. Oder noch besser ist, wenn sich der Gashebel verklemmt. Hatte ich einmal in Berlin und einmal genauso in Köln.
Solange da keine ordentliche Wartungsstrecke ist, wird der Großteil der Scooter einfach auch weiter so da rum stehen und man kriegt dann womöglich irgendwann mal einen YOLO-Roller.
Problem: Die Menschen, die die E-Scooter aufladen verdienen nichts!
Als ich zum ersten Mal gehört habe, was ein „Lime Juicer“ verdient (Anmerkung: Die Leute, die gegen schlechte Bezahlung die Roller nachts einsammeln, aufladen und wieder aufstellen) da wollte ich das ganze auch irgendwie nicht mehr unterstützen. Mir ist klar, dass sich solche neuen Modelle erst einpendeln müssen und das da alle noch lernen. Aber das kann sich ja so auch nicht anders rechnen. Würde bedeuten: Alles muss teurer werden. Und das wird passieren. Und dann werden die Elektro-Roller aber auch finanziell gesehen, keine wirkliche Alternative mehr darstellen.
Das größte Problem: Wie in der IT – es sitzt vor (auf) dem Gerät
Ohne Witz, ich hoffe, dass es noch ordentliche und saftige Strafen für alle Vollidioten gibt, die entweder völlig rücksichtlslos oder besoffen mit den Elektro-Scootern im Straßenverkehr rumfahren. Manche Leute benehmen sich damit, als ob sie einen Freifahrtschein hätten. Zu zweit und ohne Helm einfach mal mitten auf der Hauptstraße am Alexanderplatz…am besten noch besoffen. Die Touristen sind da ganz vorne mit dabei!
Mal ganz abgesehen von den Idioten, die die Roller einfach grundlos demolieren. Mich wundert es überhaupt nicht, dass die Elektro-Scooter derzeit so verhasst sind…sogar bei Radfahrern.
Meine Lösung: Ich kauf mir selber so ein Teil!
Ich habe das schon bei Kollegen und anderen bekannten gesehen. Die haben sich einfach selber so einen Roller gekauft. So ein Elektro-Scooter kostet um die 500€. Wenn man jeden Tag damit fährt, dann amortisiert sich das schon nach 3-4 Monaten. Und wenn ich das Haus verlasse dann weiß ich, ich kriege auf jeden Fall einen Roller der funktioniert.
Fazit: Die Dinger sind für mich aktuell keine ernstzunehmende Alternative im Stadtverkehr.