Quelle: Photodune – Blue radar screen. Vector illustration

In meinem heutigen Beitrag möchte ich mich mit der Resonanzmessung bei SEM-Kampagnen – vorzüglich SEA –  beschäftigen und warum es besser ist, vor einem endgültigen Fahrplan durchaus auch Kanäle empirisch zu testen, die nicht unbedingt in die Zielgruppen-Typologie zu passen scheinen.

Hintergrund dieses Beitrags ist, dass ich zwar einerseits immer auf die Wichtigkeit einer möglichst genauen Zielgruppenbestimmung verweise, anderseits aber auch empirische Datenfindung und „Testballons“ für wertvoll erachte. Klingt erst einmal konträr.

Die konzeptionelle Zielgruppenbestimmung versucht möglichst genau zu sein und Streuverluste in späteren SEM-Kampagnen auszuschließen, während Resonanztests das genaue Gegenteil tun: In alle Richtungen streuen, um erst einmal Daten zu sammeln. Das Eine versucht also schon im Vorfeld Geld einzusparen, während das Andere scheinbar erst einmal Geld kostet, um später Geld zu sparen. Warum dieser Weg aber sehr effektiv ist, das kläre ich heute.

Ich habe weiterhin den Prozess des Suchmaschinenmarketing – genauer Suchmaschinenwerbung (SEA) –  neu definiert, da ich die klassische zyklische Darstellung für veraltet halte. Mehr dazu später.

Begrifflichkeiten

Resonanz ist zum einen in Physik und Technik das verstärkte Mitschwingen eines schwingfähigen Systems, zum anderen aber auch der Zuspruch oder die Reaktion auf etwas – beispielsweise auf eine SEA-Kampagne. Resonanz ist messbar.

Nach der Systemtheorie von Niklas Luhmann bezeichnet Resonanz die Qualität der Fähigkeit eines Systems, nach Maßgabe seiner Struktur auf Umweltereignisse reagieren zu können. In meinem Artikel betrachten wir den Begriff Resonanz aber als Reaktion auf etwas.

Shotgun-Prinzip

Am einfachsten lässt sich mein Ansatz durch die Resonanzmessung im Suchmaschinenmarketing durch das Shotgun-Prinzip erklären:

Man schiesst erst einmal flächendeckend in alle möglichen Richtungen und schaut dann, was man getroffen hat und wie es reagiert. Somit misst man dann, in welcher Richtung man mit welcher Kugel jemanden getroffen hat (Resonanz erzeugt hat). Das ist natürlich nur bildlich als Vergleich zu sehen.

Im Bereich Suchmaschinenwerbung (SEA) und sogar im Social Media Marketing findet sich dieser Ansatz: Erst einmal alle Kanäle „beschießen“ und dann messen, was man auf welchem Kanal erreicht hat.

Quasi: Erst schießen, dann denken! 😀

Freundlicher ausgedrückt könnte man auch sagen, dass das Prinzip eines Sonars oder Radars ebenso passt. Man sendet flächendeckend akustische- oder elektromagnetische Wellen aus. Treffen diese auf ein Objekt, werden sie zurückgeworfen und man kann das Objekt somit orten.

Zielgruppenbestimmung und Resonanztests – Wie geht das zusammen?

Es entsteht also ein Widerspruch, da eine konzeptionelle Zielgruppenbestimmung und ein daraus resultierender „Suchmaschinenmarketing-Penetrationskanal-Fahrplan“ nicht das Gleiche sind, wie eine Schrotflinten-Taktik zur Resonanzmessung auf allen möglichen Kanälen. Ziel einer jeden SEM-Kampagne ist es ja, Werbebudget möglichst effektiv und ohne Streuverluste einzusetzen. Auf der anderen Seite helfen erst Resonanztests dabei, das theoretische Konstrukt einer Kampagnenkonzeption empirisch zu untermauern.

Man kann also sagen, dass Resonanztests notwendig sind, um die Zielgruppenbestimmung zu verfeinern oder, besser gesagt, die Kanäle, um die Zielgruppe zu erreichen, besser bestimmen zu können. Eine Resonanzmessung verfolgt also das Ziel, Daten und Erkenntnisse zu sammeln, die eine SEM-Konzeption noch genauer machen (können).

Das Internet ist höchst dynamisch

Eine gut konzipierte SEM-Kampagne mit einer genauen Zielgruppenbestimmung ist immer ein guter Start. Muss man gar nicht zerreden.

Allerdings ist das Internet und seine Plattformen, Dienste und Nutzungsmöglichkeiten höchst dynamisch. Instagram, Snapchat, Pokemon Go – alles Phänomene, die man nicht vorhersehen konnte bzw. deren Popularität in jedem Land stark variiert. Google arbeitet gefühlt jede Sekunde an seinem Algorithmus und ist bei einigen neuen Standards eine treibende Kraft, z.B. bei AMP oder mobile.

Was ich damit sagen will: Das Internet, seine Nutzung und die Kommunikation darin sind dermaßen schnelllebig und sprunghaft, dass es unmöglich ist, bei einer Konzeption alle möglichen Werbekanäle und Parameter zu berücksichtigen. Nicht zuletzt, da man sich bei jeder Konzeption immer auf ältere Erkenntnisse bzw. Annahmen stützt.

Was aber einfacher ist: Alle Kanäle bespielen, die Resonanz messen und daraus eine Strategie ableiten.


Testballons sind skalierbarer, als man denkt

Denken wir einmal an einen geplanten Markteintritt in ein anderes Land – z.B. im Bereich E-Commerce –  oder an die geplante Einführung eines Produktes im Zuge der Diversifikation. Marktforschung, Marktanalyse, dies das – alles Standard. Soweit so gut.

In Bezug auf Suchmaschinenmarketing-Aktivitäten gestaltet es sich jedoch deutlich schwieriger. Zum Einen haben wir in einigen Ländern deutliche Unterschiede bei den Marktführerschaften von Diensten (Beispiel: Yandex – Google oder Google – Baidu ), zum Anderen lassen sich die Effektivität und die Reichweite nur begrenzt abschätzen. CPC´s und Budget-Schätzungen sind ein Richtwert, aber oft ungenau.

Was also tun?

  1. Eine vollständige und aufwendige Konzeption von Werbekanälen, Zielgruppe und Nutzungsdaten -> messen -> lernen -> nachbessern
  2. Fest budgetierte Testballons mit 100% Messbarkeit auf allen Kanälen -> messen -> dann 1.

Resonanztest: Kaufwunsch und Conversions auf Yandex Direct (Russland) | (zum Vergrößern klicken)

E(m)p(ir)ische Resonanztests VS. Martkforschung

Marktforschung beruht entweder auf bereits vorhandenen Erkenntnissen oder auf einer ebenfalls empirischen Untersuchung. Noch dazu arbeitet die klassische Marktforschung teils auch nur mit statistischen Schnittmengen und ist recht teuer. Es ist unwahrscheinlich, dass ein durchschnittlicher Onlineshop den finanziellen Aufwand einer Martkforschung betreibt. In der Praxis „macht man einfach mal“ oder holt sich eine Agentur.

Jetzt würden manche sagen: „Ja, aber so ein Testballon, der in alle Richtungen schießt, ohne ein konkretes Ziel zu verfolgen, kostet unnötig Geld und ist nutzlos.“

Falsch!

Ja, ein Testballon kostet Geld. Aber die dadurch gewonnen Daten und Erkenntnisse sparen mittel- und langfristig auch wiederum Geld ein. Ein Testballon auf, sagen wir, vier Kanälen (z.B. Google Adwords, Bing Ads, Yandex Direct, Facebook)

Was wird bei einem Resonanztest genau getestet?

Getestet werden alle Parameter, die Aufschluss über das Kaufabschluss- bzw. das Käuferpotenzial eines Kanals geben können, z.B.

  • Keywords -> Zielgruppenansprache
  • Impressionen -> Nachfrage
  • CTR -> Angebotsbewertung / Zielgruppenansprache
  • CPC -> wettbewerbsrelevanter Faktor bei der späteren Konzeption
  • Warenkorb -> kein direkter Kauf, aber eine Kaufintention vorhanden
  • Conversion -> erfolgreicher Kauf / Lead
  • Seitennutzung allgemein -> werden andere Angebote nachgefragt, als die beworbenen?

Welche Erkenntnisse liefert mir ein solcher Resonanztest?

Wie eben schon erwähnt, erhält man eine Vielzahl von wertvollen Informationen, die man in eine SEM-Konzeption einfließen lassen sollte.

So erhält man nicht nur empirische Daten über den Wettbewerb, Klickpreise und daraus abgeleitete Optimal-Budgets pro Kanal, man bekommt auch Informationen darüber, wo sich die kaufbereite Zielgruppe bewegt und wie sie auf das die beworbenen Produkte / Dienstleistungen reagiert (resoniert). Das Problem bei theoretisch durchdachten Konzeptionen ist oftmals, dass wir uns zu Annahmen hinreißen lassen. Ein empirischer Resonanztest hingegen liefert keine Annahmen, sondern Fakten.

Für Marketingentscheider und Budgetverantwortliche ist es wichtig, möglichst fokussiert und skalierbar zu arbeiten. Da man bei einem Testballon aber die Frage „Wie erreiche ich damit die Unternehmensziele?“ nicht sofort plausibel beantworten kann, muss man hier anders argumentieren.

Logistik-, Preis- und Angebotsaspekte im Umfeld des neuen Marktes testen

Was eine SEM-Konzeption oftmals nicht berücksichtigt sind Aspekte, die nicht direkt die Produkteigenschaften oder den Mehrwert eines Service betreffen. Das wird leider viel zu oft vergessen. Gemeint sind beispielsweise Kaufentscheidungsfaktoren wie Versandkosten (ins Ausland), Zoll, Lieferzeiten und natürlich der Preis.

Wenn ein Onlineshop aus Deutschland ins nicht-europäische Ausland verkaufen will, dann sollte er sich über solche Faktoren im Klaren sein. Hier kann ein Resonanztest helfen, herauszufinden wie potentielle Käufer auf einem anderen Markt auf die angebotenen Produkte und Dienstleistungen reagieren. Beispielsweise kann man über die Ausstiegsseiten ableiten, ob die Nutzer sich eher am Versand oder an den angebotenen Bezahlmethoden gestört haben.


Wann sollte man einen Resonanz-Testballon „losschicken“?

Es gibt viele gute Gründe und Szenarien, warum und wann man einen empirischen Durchlauf machen sollte, z.B. bei

  • Unklarheiten über benötigte Budgets
  • Unklarheiten über eine allgemeine Nachfrage
  • Unklarheiten über mögliche Märkte
  • unzureichenden Informationen über die Kaufgruppe
  • innovativen und neuen Produkten

Allgemein kann ich nur dazu anraten, bei jedem noch so kleinen Anzeichen von Unsicherheit oder Unklarheiten bei der Konzeption, sofort einen Resonanztest durchzuführen. Bessere Daten bekommt man nicht! Lieber einmalig 3000€ in 3 Monaten abschreiben, als langfristig Geld in ungenauen Kampagnen und den dadurch entgangenen Umsätzen zu verlieren.

Testballons können vor Fehlinvestitionen schützen

Wie beim Prototyping, kann also auch ein Resonanztest dafür sorgen, dass man unnötige Investitionen tätigt und Geld verbrennt, z.B. die komplette Übersetzung eines Onlineshops in eine andere Sprache.

Testballons arbeiten zwar mit minimalen Einsatz, bringen aber viele wichtige Erkenntnisse für die spätere „Vollendung“ von SEM-Kampagen. Resonanztests vermuten nicht, sie liefern unwiderlegbare Daten und Fakten.

Der ideale SEM-Prozess

Wie ich schon eingehend erwähnt habe, halte ich den klassischen zyklischen Prozess für veraltet. Er mag zwar grob den Ablauf und die Stationen abbilden, allerdings ist dieser unflexibel und berücksichtigt meiner Meinung nach nicht alle Schritte und Faktoren, die den Prozess effektiv und ganzheitlich machen.

Veraltete SEM-Prozess-Darstellung – ©Marcel Schrepel

Ich habe mich deshalb ziemlich intensiv mit dem vorher gesagten auseinander gesetzt und den Prozess bzw. seine Darstellung überarbeitet. Mir ist klar, dass schon heute etliche SEM-Menschen in diese Richtung arbeiten, allerdings muss man die Vorzüge des Prototyping und von Resonanztests endlich mal auch grafisch manifestieren.

Wie man sieht, ist der Prozess nun dynamischer und bietet auch mehrere Wege an. Ich würde daher nicht sagen, dass es ein wirklich neuer Prozess ist – besser ist es, ihn als eine „Erweiterung“ zu betrachten.

Überarbeiteter und erweiterter SEM-Prozess – ©Marcel Schrepel

Abgrenzung des Beitrags

Bevor ich mich an neue Themen wage, klopfe ich gerne erst einmal die Meinung Dritter ab, z.B. bei Facebook. Hier kam der Hinweis auf das Prototyping, eine Methode aus der Softwareentwicklung, welche aber auch (bei den smarten Kreativen) im Onlinemarketing Anwendung findet. (Hier nachzulesen bei Karl)

Mein Beitrag bezieht sich jedoch auf die Resonanzmessung und empirische Datenermittlung der verschiedenen Werbekanäle (Google, Bing, Yandex, LinkedIn etc.) zur Verbesserung der Genauigkeit und Effektivität einer SEM-Konzeption und nicht auf das Testen einer möglichen Nachfrage nach einem (noch nicht bestehenden) Angebot.

Das Prinzip des Prototyping konzentriert sich in erster Linie auf das Verhindern von Fehlinvestitionen, während sich die Resonanzmessung durch „Testballons“ vielmehr auf das Abklopfen von Potenzialen aller verfügbaren Werbekanäle bezieht – wenn auch das verhindern von Fehlausgaben ein angenehmer Nebeneffekt davon ist. Ein Prototyp kann aber auch in einen Resonanztest implementiert werden und umgekehrt.

Gleichzeitig kann ein Prototyp bereits für ein Pre-Seeding (SEO), Analyse bezahlter Suchmaschinenanzeigen (SEA) oder als Resonanzmesser (Social Media) eingesetzt werden. – Karl Kratz

Da ich den Punkt des Prototyping beim Schreiben diesen Beitrags nicht primär behandelt habe, so taucht er lediglich als eine Option im oben verwendeten Schaubild auf. Ich verweise auch hier noch einmal darauf, dass dieser Prozess zwar auch für SEO in Frage kommt, ich bei der Ausarbeitung SEO allerdings nicht betrachtet habe.

Disclaimer

Ich behalte mir das Recht vor, diesen Artikel zu überarbeiten und zu erweitern. Das gilt auch für die Darstellung des Prozesses. Die Verwendung der von mir erstellten Grafiken ist deshalb nur mit meiner ausdrücklichen Genehmigung erwünscht.

Feedback und Meinungen dazu?

Ich freue mich ebenfalls über Kommentare und konstruktive Kritik, gerne bei mir auf Facebook!