a computer flat screen for internet pharmacy

Bild: photodune

„Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“

Dieser Satz wird nicht etwa aus Jux und Dallerei so oft platziert. Es ist eine von vielen gesetzlichen Vorschriften, auf die die Pharma-Industrie zu achten hat.

Keine andere Branche hat in Bezug auf Werbung und Onlinewerbung so viele Regularien und gesetzliche Vorgaben wie die Pharma-Industrie. Aber auch Online-Apotheken, Ärzte und Kliniken müssen etliche Dinge beachten, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten oder sich gegenüber Mitbewerbern angreifbar zu machen.

Der nun folgenden Beitrag soll nicht nur Besonderheiten und Einschränkungen durch Suchmaschinen und Gesetze aufzeigen, sondern vielmehr konkret auf Praxis-Aspekte eingehen, die im Bereich Healthcare und Pharma – in Bezug auf Suchmaschinenmarketing – wichtig sind und die maßgeblich die Arbeitsweise im Suchmaschinenmarketing (SEM) beeinflussen. Alle Ableitungen in diesem Beitrag vollziehen sich logisch anhand von gängigen Praxen, über bekannte Wirkungsbereiche von Suchmaschinenoptimierung (SEO) und Suchmaschinenwerbung (SEA).

Wir bei trust in time arbeiten bereits seit ein paar Jahren auch für Kunden aus diesem Bereich. Ich kann also auch auf tatsächliche Problemstellungen und Besonderheiten aus der Praxis zurückgreifen.

Der Beitrag richtet sich an Marketing-Menschen, die im Bereich SEO / SEA für Pharma, Medical Services und Healthcare tätig sind. Er soll dabei helfen, sich für das Thema zu sensibilisieren.

Disclaimer: Es sei gleich vorweg gesagt, dass ich kein Jurist oder Pharmavertreter bin. Die im Beitrag genannten gesetzlichen Bestimmungen und Vorgaben sind in jedem Land unterschiedlich! Dieser Beitrag ersetzt keine Rechtsberatung. Er versucht lediglich einen Zusammenhang zwischen gesetzlichen Beschränkungen und der Arbeitsweise im Bereich Suchmaschinenmarketing herzustellen. Ich gebe hier auch keine Vollständigkeitsgewähr. Wer sich intensiv mit dem Thema auseinander setzen möchte, dem empfehle ich Fachliteratur zu Pharma-Marketing.

Ich werde diesen Artikel auch aufgrund des Themen-Umfangs wahrscheinlich auch noch laufend erweitern oder ergänzen.

Besonderheiten & Regularien

Für die Leser unter Euch, die sich noch nie mit Pharma und gesetzlichen Bestimmungen beschäftigt haben, hier ein kleiner Exkurs in „Was ist erlaubt, was nicht“. Dieser Ausflug ist wichtig, um das Ausmaß der Besonderheiten an diesem Thema zu verstehen und die später erwähnten Einschränkungen in Bezug auf SEM nachzuvollziehen.

In Deutschland regelt das Heilmittelwerbegesetz (HWG). Es gilt für die Pharmaunternehmen, Hersteller von Medizinprodukten sowie für die so genannten Leistungserbringer, u. a. Krankenhäuser, Apotheken und – nach einem Urteil des Bundesgerichtshof im  – im gewissen Umfang auch für Ärzte. Das HWG unterscheidet zwischen Werbung gegenüber Fachkreisen (Ärzte) und Werbung gegenüber Laien.

„Fachkreise im Sinne dieses Gesetzes sind Angehörige der Heilberufe oder des Heilgewerbes, Einrichtungen, die der Gesundheit von Mensch oder Tier dienen, oder sonstige Personen, soweit sie mit Arzneimitteln, Medizinprodukten, Verfahren, Behandlungen, Gegenständen oder anderen Mitteln erlaubterweise Handel treiben oder sie in Ausübung ihres Berufes anwenden.“

Für verschreibungspflichtige Arzneimittel darf also nur bei Ärzten, Zahnärzten, Tierärzten, Apothekern und Personen, die mit diesen Arzneimitteln legal Handel treiben, geworben werden.

Werbung für frei erhältliche Medikamente bei Google Adwords

Werbung für frei erhältliche Medikamente bei Google Adwords

Ganz allgemein – und ohne hier tiefer auf juristische Aspekte einzugehen – ergeben sich als für Pharmaunternehmen, Kliniken & Apotheken in D-A-CH u.a. folgende Einschränkungen:

  • bei Werbung für ein Arzneimittel müssen Pflichtangaben gemacht werden („Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“.)
  • verschreibungspflichtige Arzneimittel dürfen außerhalb von Fachkreisen nicht beworben werden (Verbot der so genannten „Publikumswerbung“)
  • „Push-Dienste“ (z.B. Adwords, Pop-Ups) geben Informationen einen werblichen Charakter
  • Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente im Laien-Bereich ist somit untersagt
  • Pharmaunternehmen müssen Informationsangebote für Fachbereiche und Patienten strikt und deutlich trennen
  • Fernbehandlung / Ferndiagnosen sind verboten
  • es darf generell kein medizinisch-gesundheitlicher Bezug in Werbung vorhanden sein (z.B. „Hilft garantiert bei Kopfschmerzen!“)
  • Es gibt keine Beobachtungspflicht für Websites Dritter (Pharma-Konzerne beobachten sich gegenseitig)
  • verdecktes Sponsoring ist verboten
  • DTC-Marketing ist verboten

Da im Internet bereitgestellte Informationen von jedermann abrufbar sind, ist dieses Werbeverbot dort besonders relevant.

Generell verboten sind:

  • Irreführende Werbung (Erfolgsversprechen „Hilft garantiert!“, fälschlich erweckte Eindrücke, unwahre Angaben)
  • Werbung für nicht zugelassene Arzneimittel (in jedem Land unterschiedlich)
  • unlauterer Wettbewerb (Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb UwG)

Was ist erlaubt?

2012 wurde das HWG durch den Gesetzgeber gelockert. Außerhalb von Fachkreisen für nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel und Therapien darf man wie folgt werben:

  • mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen,
  • mit der bildlichen Darstellung von Personen, die in Heilberufen oder im Arzneimittelhandel arbeiten,
  • mit fremd- oder fachsprachlichen Bezeichnungen,
  • mit Veröffentlichungen, die dazu beitragen, bestimmte Krankheitsbilder selbst zu erkennen und mit den beworbenen Arzneimitteln, Therapien etc. zu behandeln. Dies kann auch über audiovisuelle Medien erfolgen.
  • Die Werbung für nicht-verschreibungspflichtige Medikamente (Kopfschmerztabletten, Hustensaft etc.) ist erlaubt
  • „Pull-Dienste“ (z.B. Packungsbeilagen auf einer Website) sind nach dem EuGh nicht werblich

Die bloße Unternehmenswerbung ist vom Anwendungsbereich des Heilmittelwerbegesetzes ausgenommen.

Klare Trennung & transparente Urheberschaft erforderlich

Da das HWG seinerseits eine klare Anbieterkennzeichnung in Bezug auf Medikamente vorgibt, ergeben sich strikte Reglements in Bezug auf Content, Verlinkungen und sonstige Informationen. Im Bereich Pharma muss es stets eine transparente Kennzeichnung des Urhebers bzw. des Unternehmens geben, das hinter einer Website steht, geben. Noch dazu müssen aus oben genannten Gründen (Fachkreise und Laien) die jeweiligen Bereiche einer Website bzw. das Informationsangebot klar getrennt sein. Auch darf man nicht einfach auf einer Awareness-Website – wird im Bereich Pharma oft praktiziert – einen Link zur Medikamenten-Website setzen, da man hier wieder eine Medikations- oder Behandlungsempfehlung unterstellen könnte.

So hat beispielsweise die Website von Aspirin die Informationen für Fachkreise durch einen extra und geschützten Bereich gelöst, bei dem man sich erst als Arzt oder Medical registrieren muss. Alle anderen Informationen sind frei zugänglich und entsprechen den Regeln für das Laienpublikum.

An dieser Stelle muss man aber zu allererst zwischen den Angeboten im Netz unterscheiden. Auf der einen Seite gibt es die Websites der Pharmaproduzenten, deren Produktseiten und auf der anderen Seite gibt es Onlineapotheken, Kliniken und Blogs / Portale zum Thema „Gesundheit“. Pharmaproduzenten unterliegen dem HWG, genauso wie Onlineapotheken und Kliniken, also alles was mit der Herstellung und dem Verkauf / Vertrieb von Medikamenten zu tun hat.

Webseiten zum Thema „Gesundheit“ oder „Gesundheitsratgeber“ bewegen sich solange im rechtlich grünen Bereich, solange sie über so genannte „Allerweltskrankheiten“ schreiben. Rechtlich Problematisch wird es, wenn solche Portale lebensgefährliche Krankheiten behandeln, eine Selbstdiagnostik suggerieren und auf eine Selbstbehandlung verweisen.

Zwischenfazit

Wir haben gesehen, dass Pharma, insbesondere die Pharmahersteller in den Bereichen Websites und Werbung einigen Beschränkungen unterliegt. Folglich wird dadurch auch die Herangehensweise bei SEO & SEA erheblich erschwert. Wir haben auch gesehen, dass sich Gesundheitsratgeber oder sonstige Portale und Verlagsangebote eher nicht in diesem stark reglementierten Bereich ansiedeln – auch wenn sie dem HWG unterliegen.

Einschränkungen bei SEO & SEA

Regularien und gesetzlichen Bestimmungen haben somit auch Einfluss auf die Suchmaschinenwerbung-Praxis in diesem Bereich. Die Einschränkungen sind teilweise massiv, was das Bewerben bestimmter Medikamente oder Stoffe erschwert.

Einschränkungen bei Google Adwords

Das System von Google Adwords selbst setzt Werbeverbote und Einschränkungen u.a. durch Automatismen um. Die Liste der Einschränkungen und Regelungen ist lang. Folgend zur Veranschaulichung ein paar Auszüge aus den Google Adwords Richtlinien.

Wichtig zu wissen ist auch, dass die Google Richtlinien als solche nicht dazu geeignet sind, die Gesetzeskonformität zu prüfen. Google reguliert lediglich thematische Beschränkungen, nicht aber inhaltliche Aspekte wie beispielsweise die Pflichtangaben.

Einschränkungen für Online-Apotheken

Google gestattet Werbung für Onlineapotheken nur in folgenden Ländern:

  • Deutschland, Niederlande, Schweden, Vereinigtes Königreich, Australien, Brasilien, China, Hongkong, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Taiwan, Vereinigte Staaten

Onlineapotheken müssen von Google zertifiziert werden, bevor sie Anzeigen schalten können.

Einschränkungen für Arzneimittelhersteller

Arzneimittelhersteller dürfen nur in folgenden Ländern für verschreibungspflichtige Arzneimittel werben:

  • Kanada, Neuseeland, Vereinigte Staaten

Arzneimittelhersteller dürfen nur in folgenden Ländern für rezeptfreie Arzneimittel werben:

  • Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande, Polen, Russland, Schweden, Spanien, Vereinigtes Königreich, Australien, Brasilien, China, Hongkong, Indien, Japan, Kanada, Mexiko, Neuseeland, Südkorea und Vereinigte Staaten

Medizinische Dienste (Medical Services)

Google gestattet in den meisten Ländern Werbung für medizinische Dienste. Davon ausgenommen sind Russland, China, Hongkong, Indien, Pakistan und Sri Lanka.

Nicht freigegebene Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel

Google führt auch eine ellenlange Liste von nicht freigegebenen Arznei- und Nahrungsergänzungsmitteln, für die auf Google Adwords generell und mit keiner Ausnahme geworben werden darf.Die Liste gibt es hier.

Pflichtangaben bei Google-Adwords

Pflichtangaben bei Arnzeimittelwerbung bei Google Adwords

Pflichtangaben bei Arnzeimittelwerbung bei Google Adwords – hier durch den Link (Pflichttext) ausgzeichnet

Der ein oder andere hat sich sicher schon einmal über die „komische URL“ von Arznei-Werbeanzeigen bei Google gewundert oder gar gedacht, dass der Agentur dort ein Fehler unterlaufen sei. Weit gefehlt: Tatsächlich ist dies die Umsetzung des in § 4 HWG geregelten Gebots über die Pflichtangaben in einer Werbung für Arzneimittel außerhalb von Fachkreisen. Nach dem Klicken auf die Anzeige müssen dann auch tatsächlich die Pflichtangaben in einem gut sichtbaren Bereich erscheinen.

Dies lässt sich technisch einfach dadurch lösen, dass man beispielsweise eine Lightbox oder ein PopUp anzeigt, nachdem ein Nutzer auf die Anzeige geklickt hat.

Laut dem BGH (Az. I ZR 2/12) reicht der Link allein nämlich nicht aus.

Einschränkungen bei Yandex (Russland)

Der Bereich Medical Services (medizinische Dienste) boomt. Immer mehr deutsche Kliniken umwerben ganz gezielt die Besserverdiener im Ausland (z.B. Russland oder Arabische Emirate). Der Standort Deutschland und die hier vorherrschenden Standards haben einen guten Ruf. Die Behandlungen sind teuer und so lassen sich durch diese „Selbstzahler“ hohe Umsätze erzielen.

Yandex hat – wie auch Google – beim Advertising spezielle Regeln, z.B. muss bei einer Anzeige für eine Klinik der geografische Standort ersichtlich sein (Urologische Klinik Deutschland). Auch muss man bei Yandex im Vorfeld eine Verpflichtungserklärung einreichen. Dadurch sichert sich die russische Suchmaschine selbst noch einmal rechtlich ab.

Online-Apotheken

Online-Apotheken sind in der Regel weniger von harten Einschränkungen betroffen, da sie meist rezeptfreie Medikamente verkaufen und bewerben. Das ist völlig legal. Auch wenn sich, z.B. durch den Freischaltungsprozess von Keywords bei Google-Adwords, auch hier Besonderheiten ergeben, so kann man doch sagen, dass der Sektor Online-Apotheken im Suchmaschinenmarketing eher frei agieren kann. Nicht zu letzt, da diese Händler – sofern sie auch rezeptpflichtige Medikamente verkaufen – die dafür nötigen Services (Telemedizin – Online-Arzt) eh auslagern bzw. durch ein rechtssicheres Verfahren implementieren – beispielsweise können Patienten ihr Rezept kostenlos einschicken und erhalten dann das Medikament.

Auch wenn diese Online-Händler rezeptpflichtige Arznei nicht direkt bewerben dürfen, so haben die großen Online-Apotheken allein schon durch die hohe Sichtbarkeit und andere Rankings in Bezug auf SEO einen enormen Vorteil. Aber auch Gesundheitsratgeber-Websites können relativ leicht Affiliate-Programme und andere Monetarisierungsmöglichkeiten einbauen.

Auswirkungen auf die Arbeitsweise

Dadurch, dass das Bewerben von rezeptpflichtigen Medikamenten nur in Fachkreisen erlaubt ist (Ärzte), sind diese speziellen Websites oder Unterseiten meist passwortgeschützt, damit sie erst garnicht durch Laien aufrufbar sind. Die Inhalte dieser geschützten Seiten sind logischerweise nicht indexier- und auffindbar. Von daher macht SEO hier wenig Sinn.

SEO kann sich also in Bezug auf Fachkreise nur auf Landingpages oder LogIn-Seiten konzentrieren – bei „Laien-Seiten“ auf zulässige und nicht-werbliche Informationen.  Des Weiteren würde man wahrscheinlich selbst mit SEO und den draus resultierenden Rankings Gefahr laufen, 1. des unlauteren Wettbewerbs bezichtigt zu werden oder 2. werblich zu wirken.

Meine Meinung ist ja, dass „Platz 1“ – Rankings – wenn auch subjektiv – eine gewisse werbliche Wirkung haben bzw. eine Marktführerschaft indizieren. Das aber nur am Rande.

Fallbeispiel: Viagra-Spam

In der Praxis begegnet uns oft „Viagra-Spam“. Viagra zählt jedoch in Deutschland zu den verschreibungspflichtigen Medikamenten, welches man also ohne Rezept gar nicht bestellen kann. Trotzdem boomt der Handel mit Generika und dadurch auch die SEO-Aktivitäten (Jeder Blogger sollte wissen, wovon ich rede). Nicht zuletzt, da man sich mittlerweile einfach per Formular online ein Rezept ausstellen lassen kann…per Ferndiagnose. Viagra, oder besser der Wirkstoff, ist in der Herstellung auch sehr günstig, was den Verkauf natürlich sehr lukrativ macht.

Das kuriose ist aber, das in diesem Bereich Websites/Unterseiten mittlerweile durch SEO für Suchanfragen optimiert werden, die aber inhaltlich genau das Gegenteil sagen. Beispiel „Viagra ohne Rezept kaufen“. (siehe Abbildung)

Hier muss man sich aus Nutzersicht die Frage stellen, inwiefern das nicht Irreführung ist, auch wenn man letztlich ein solches Rezept auch dort bekommt. Online-Casinos werden übrigens ebenso aggressiv und mit allen Mitteln beworben. Ein gutes Zeichen dafür, wie groß und umsatzschwanger diese Bereiche sind.

Der folgende Viagra-Fall ist übrigens ein gutes Beispiel für die alltägliche Irreführung im Netz durch SEO (SEA gibts das auch). Ich finde es sehr bedenklich, dass man die Pharma-Hersteller mit 1000 Auflagen belegt und solche Onlinehändler und andere Portale machen können, was sie wollen.

SEO Viagra Spam

„Stimmt zwar nicht, aber die kriegen wir schon in den Conversion Funnel! Hauptsache es rankt.“

„SEO für Beipackzettel und Studien“

An sich ist der klassische SEO-Prozess auf Pharma-Keywords prinzipiell anwendbar, z.B. bei frei erhältlichen Medikamenten oder Nahrungsergänzungsmitteln. Allerdings scheitert SEO bei verschreibungspflichtigen Medikamenten spätestens bei der Zielseite, da diese wiederum den gesetzlichen Bestimmungen und der Anbieterkennzeichnung unterliegt. Oder aber – wie im eben genannten Viagra-Beispiel – es wird auf Suchanfragen optimiert, die die Zielseite aber gar nicht wirklich beantwortet.

Bei Website-Content wird es speziell: Würde man eine Informationsseite über einen Wirkstoff erstellen, z.B. auf einem Ratgeber-Portal, so müsste man dort 1. alle im Umlauf befindlichen Medikamente benennen und 2. dürfte man keinerlei Medikamenten-Empfehlungen erwähnen, weil eine Behandlungsempfehlung oder gar Medikationsempfehlung nicht zulässig ist. In den meisten Fällen handelt es sich bei den Suchergebnissen zu Wirkstoffen um Links zu Beipackzetteln oder um Informationen, die auf Beipackzetteln oder Studien basieren.

Die Seite onmeda.de (Axel-Springer-Gruppe) z.B. hat diesbezüglich eine clevere und vermarktbare Möglichkeit im Netz: Ausführliche Arzneimittel- und Krankheitsbild-Informationen kombiniert mit einem Medikamenten-Modul, das jedoch per Disclaimer auf eine externe Preisvergleich-Website verweist (medipreis.de). Die wiederum handelt selbst nicht mit Medikamenten, sondern dürfte sich höchstwahrscheinlich durch Affiliate-Programme finanzieren.

Wir sehen also, dass SEO auf diesem Sektor durchaus praktiziert wird und auch – in Kombination mit dem richtigen Geschäftsmodell – profitabel ist. Wenn auch nicht für die Pharma-Hersteller.

Allerdings muss man hier nochmal deutlich sagen, dass diese Gesundheitsratgeber-Websites sowie Online-Apotheken nicht den selben strikten Reglements unterliegen, wie die Pharmahersteller selbst. Ob das fair, gut oder schlecht ist – damit müssen sich in Zukunft die Gerichte beschäftigen.

SERP bei einer Suchanfrage zu einem Wirkstoff

SERP bei einer Suchanfrage zu einem Wirkstoff

Linkbuilding ist prinzipiell möglich

Wie auch bei SEO ist Linkbuilding prinzipiell möglich. Allerdings gestaltet sich dies aufgrund der Anbieterkennzeichnungspflicht und anderen Auflagen in der Praxis als schwierig, ausgenommen davon eben Online-Apotheken oder Ratgeberseiten. Bei diesen ist Linkbuilding gang und gäbe und so lange unproblematisch, so lange sie nicht gegen das HWG verstoßen. Beide Bereiche handeln meistens sowieso nur mit Informationen über „Allerweltskrankheiten“ und rezeptfreien Medikamenten, dessen Handel legal ist.

Für Pharma-Hersteller wird es da schon deutlich schwieriger, da sie von so genannten Awareness-Websites nicht auf Produkt-Websites verlinken dürfen bzw. – wie das sonst jeder Onlineshop tut – dürfen sie auch sonst keine Medikamente in irgendeinem Kontext erwähnen, nennen oder verlinken, wenn dabei die Gefahr besteht, dass man dadurch eine Behandlungs- oder Medikationsempfehlung aussprechen würde.

Website-Enstehungsprozess ist teuer und dauert lange

Man fragt sich ja oft, wieso eine bestimmte Pharma- oder Medikamenten-Websites so „altmodisch“ aussehen und auch einige SEO-relevante Makel haben. Oder warum denn die Website eines Medikaments in jedem Land anders aussieht (Corporate Design).

Das Problem ist hier, dass der Entstehungsprozess einer Pharma- oder Healthcare-Website sehr arbeitsintensiv ist, weil hier nicht eben einfach nur Content und ein Design entstehen muss. Der Content muss z.B. mehrere Instanzen durchlaufen, bis er den gesetzlichen und medizinischen Reglements (in jedem Land) entspricht. So gehen beispielsweise die Texte einer Unterseite mehrfach durch die Hände von Ärzten und Anwälten bis eine Freigabe erfolgt. Hier wird schon klar, dass SEO mit seiner klassischen Keyword-OnPage-Optimierung-Strategie schon einmal aufwändiger ist.

Das hat weiterhin zur Folge, dass Content und Websites nicht zentral von einer Agentur gepflegt werden können, weil niemand alle Gesetze des gesamten Planeten kennt. So macht also in jedem Land „jeder seins“.

Klassische werbliche Wordings funktionieren nicht

Diese Einschränkung ergibt sich schon aus der Formulierungspflicht bzw. aus dem Werbeverbot für verschreibungspflichtige Medikamente.

„Hilft garantiert“ und andere erfolgsversprechende Aussagen sind verboten. Werbung für jegliche verschreibungspflichtige Medikamente oder Wirkstoffe ist außerhalb von Fachkreisen eh verboten. Solche irreführenden oder unwahren Aussagen betreffen übrigens den Wettbewerb allgemein und beschäftigen nicht nur im Bereich Pharma die Gerichte. Trotzdem unterliegt man hier auch schon beim Wording einer Herausforderung, um auch rechtlich sauber dazustehen.

Google SERP Screenshot zu "Kopfschmerzen"

SERP Screenshot zu „Kopfschmerzen“

Verschiedene Regelungen pro Land

Eine große Besonderheit sind die verschiedenen gesetzlichen Bestimmungen in jedem Land. Das erschwert z.B. globale Kampagnen aber auch einheitliche Websites ungemein und sollte nicht unterschätzt werden.

In Amerika z.B. ist das Bewerben von rezeptpflichtigen Medikamenten bei potenziellen Konsumenten erlaubt.

Arbeitsansätze in der Praxis

Obwohl es im Bereich Pharma und Healthcare massive Einschränkungen und einen erheblich Arbeitsmehraufwand im Bereich Digital Marketing gibt, so gibt es doch fokussierbare und lohnenswerte Methoden, die Effektivität von SEM zu optimieren.

Verzicht auf Fachchinesisch

Kliniken oder Pharmaunternehmen haben letzten Endes einen gemeinsamen Kunden: Den Patienten, d.h. einen kranken Menschen oder Menschen mit Beschwerden.

Normale Menschen kommunizieren nicht, wie etwa Ärzte, über Fachbegriffe oder Diagnosen sondern suchen gehen eher umgangssprachlich mit Krankheiten und Beschwerden um.

Hier lässt sich schon durch eine sprachliche Trennung – vor allem in Bezug auf SEO – eine klare Positionierung in den SERP erreichen. Brand-, Produkt- und Patienteninformationen können so besser in den Suchmaschinen platziert werden. Besonders die Keyword-Analyse sollten Pharma-Unternehmen nutzen, um nicht nur Suchvolumen und Suchwörter zu identifizieren, sondern auch den aktuellen Sprachgebrauch der Zielgruppe im Netz .

„Pull-Dienste“ – Suche nach Symptomen als Chance

Das praktizieren größtenteils Gesundheitsratgeber und Online-Apotheken – und das auch nur im rechtlich vertretbaren Rahmen und meist nur bei rezeptfreien Medikamenten. Trotzdem gibt es auch für Pharmahersteller hier eine Chance, z.B. durch das Veröffentlichen von Beipackzetteln, Anwendungsbeobachtungen (AWB) oder klinischen Studien. Beipackzettel gelten nicht als werblich und können – sofern indexierbar – ein erhebliches Rankingpotenzial aufzeigen. Allerdings auch hier wieder: Die Zielseite selbst muss den Traffic dann gesetzeskonform und auch noch nutzerfreundlich und zielführend abholen. Das ist eine starke konzeptionelle Aufgabe.

Suchintention von Nutzern und Patienten verstehen

Pharma-Texte oder medizinische Aufsätze lesen sich für Laien nur schwer und träge. Hier sehe ich – für alle Bereiche: Kliniken, Pharma, Händler – ebenfalls Potenzial. Sicherlich gibt es gesetzliche Vorschriften, was Zusatzinformationen, Beipackzettel und sonstige Pflichtangaben angeht. Trotzdem sehe ich das Verstehen von Nutzern und ihrer Suchintention als wichtigste Grundlage für eine erfolgreiche Kommunikation im Bereich SEM. Die konservative Pharma-Industrie ist meiner Meinung nach viel zu sehr an ihre eigenen Regeln, Anwälte und Mediziner gebunden. So lesen sich dann eben auch Publikationen und Texte. Mir ist klar, dass man hier zwischen Fachkreisen und Laien (Patienten) als Zielgruppe unterscheiden muss, trotzdem lassen sich viele Krankheitsbilder oder Wirkungsbereiche von Medikamenten auch anschaulicher erklären, als mit Diagnosen-Abkürzungen und chemischen Formeln.

Brand am wichtigsten

Eine starke Marke ist nach wie vor der Mittelpunkt aller großen Unternehmen. Der Ruf und das Image der Pharma-Unternehmen beeinflusst auch die Wahrnehmung bei Patienten in Bezug auf Medikamente. Deshalb liegt der Fokus im Bereich Pharma – und das sollte er auch – auf der Stärkung von Brands und Marken bzw. in der PR und bei der Werbung in Fachkreisen. Den Begriff „B2C-Marketing“ kann man aus diversen und schon genannten Gründen fast schon streichen.

Grauzonen

Maßgeblich ist, an wen die Werbung nach objektiven Maßstäben gerichtet ist. Dass die Werbemaßnahme gegenüber Fachkreisen unter Umständen auch Personen erreicht, die nicht zu den Fachkreisen gehören, muss hingenommen werden. – OLG Hamburg, Urt. v. 26.1.2006, 3 U 146/05, B.II.2.b.cc

Dies öffnet meiner Meinung nach eine Grauzone, um fachkreisbezogene und damit werbliche Informationen auch Laien zugänglich zu machen. Das wiederum öffnet auch SEO die Türen. Wichtig hierbei ist aber imho nicht die Art des Traffic-Triggers (z.B. Meta Description), sondern vielmehr die klare Trennung auf der Website selbst. Hier würde mich mal eine rechtliche Einschätzung interessieren.

Weitere Grauzonen bzw. schon „Blackhat“ wären das Kommentieren in Selbsthilfe-Foren (Sickness Communitys) sowie das verdeckte Betreiben von Informationswebsites sowie Blogger-Marketing.

Wie handhaben das Pharmaindustrie und Healthcare-Sektor in der Praxis?

Einige Pharmakonzerne – vor allem die ganz großen – lassen in der Regel von allen heiklen Themen und Praxen die Finger und konzentrieren sich nach wie vor auf Ihre Brands sowie auf Forschungsprogramme und Awareness-Websites (auch Apps). Da sich die Pharmaindustrie gegenseitig beobachtet, ist man sich hier den Fallstricken durchaus bewusst und hat – auch durch eigene interne Regeln – deshalb strenge Vorgehensweisen in Bezug auf Website-Erstellung und Vermarktung.

Kliniken gründen ihren Marketingsektor fast immer in eine Tochterfirma aus, um so ihre Marketing-Aktivitäten besser und ohne einige Regularien durchführen zu können. Das bedeutet in der Praxis, dass die Klinik dann ihre eigene Firma mit Marketing beauftragt.

Fazit

Ich habe in meinem Beitrag einige wichtige – aber längst nicht alle – Besonderheiten aufgezeigt. Die Liste der gesetzlichen „Offline“ – Grenzen für die Pharmaindustrie ist wahrscheinlich genauso lang. Die Rechtslagen erschließen sich mir auch nicht 100%ig eindeutig. Ich denke da gibt es viel Potenzial in Grauzonen oder eben verdeckt – beispielsweise bei Anwendungsbeobachtungen (AWB), Studien und sonstige manipulierbare Materialien.

Es gilt im Pharma-Marketing etliche Dinge zu beachten. Noch dazu ist das Thema in jedem Land unterschiedlich zu betrachten, da die gesetzlichen Bestimmungen jeweils anders sind. Ein spezieller Arbeitsbereich also, der erfahrene Spezialisten benötigt.

Die Arbeitsweise bei SEO und SEA im Pharma-Bereich unterliegt teilweise strengen Beschränkungen. Optimierungsmöglichkeiten bei SEO ergeben sich beispielsweise für Brand-Websites oder Produktseiten – nicht jedoch für Wirkstoffe. Da die Werbung für verschreibungspflichtige Medikamente für Laien untersagt ist, ergeben sich auch für den Bereich SEA harte Beschränkungen.

Anders sieht das jedoch in den Bereichen Gesundheitsratgeber, Online-Apotheken, rezeptfreie Medikamente und frei erhältliche Nahrungsergänzungsmittel aus. Der Markt kann fast uneingeschränkt auf die volle Bandbreite der Möglichkeiten von SEM zurückgreifen, wenn auch die Zielseiten wiederum gewissen Informationspflichten bzw. Pflichtangaben unterliegen.

Unfair finde ich hier, dass man die Pharma-Hersteller selbst nur so mit Verboten und Reglements überschüttet, während umsatzschwangere Verlagsangebote und „Gesundheitsratgeber“-Websites sich mit Werbung und Affiliate-Programmen eine goldene Nase verdienen. Ebenso solche Dinge wie „Abnehm-Pillen“, „Pillen zur Raucherentwöhnung“ und andere frei erhältliche Produkte. Mit welchen dreisten Testimonial-Lügen und SEO-Methoden da gearbeitet wird, das ist nicht mehr normal. Aber dieses Thema steht auf einem anderen Blatt.

SEM ist vielleicht für die Pharma-Branche nicht das non-plus-ultra Instrument – es ist aber ein zuarbeitendes Werkzeug. In der Praxis sieht es deshalb so aus, dass die Pharma-Hersteller eher im Bereich Branding, Grants-Programmen, Forschung und PR aktiv sind und SEM nur eingeschränkt nutzen. .

Ich bin mir sicher, dass hier in erster Linie eine Prozessoptimierung in den Pharma-Unternehmen stattfinden muss, also eine stärkere Wahrnehmung der SEM-Instrumente und ihrem Wirkungsbereich. Ich weiß nicht genau, ob das Thema SEM bei den großen Konzernen bereits angekommen ist, aber ich kann mir vorstellen, dass dort noch konservative Strukturen diese Chancen blockieren.

Ich finde, dass Suchmaschinenmarketing – in engem Austausch mit rechtlichen Beratern und Medizinern – eine effektive Maßnahme sein kann. Wenn auch nicht 100% ausschöpfbar. Richtig angewendet hilft SEM nicht nur bei der Stärkung von Brands und Produktseiten, sondern auch – technisch gesehen – bei der Optimierung in Bezug auf Crawlability, Indexierbarkeit und Auffindbarkeit.

Lesetipps

Nicht so lang und nicht so inhaltsschwanger, aber schön zu lesen: http://www.brandeins.de/archiv/2007/spitzenkraefte/was-werbung-treibt-risiken-und-nebenwirkungen-des-pharma-marketings/

„Wie Pharma-Werbung funktioniert“ 2012: http://www.pz-online.de/fileadmin/images/120323BRANCHE_Pharma.pdf

Das HWG kommentiert – auch gleich mit Urteilen und Gerichtsbegründungen: http://www.omsels.info/die-verbote-oder-was-darf-ich-nicht/2-heilmittelwerbegesetz

Pflichtangaben bei Google Adwords: https://www.ra-plutte.de/2013/11/bgh-pflichtangaben-bei-google-adwords-anzeigen/